Karriere mit Behinderung: Rechte, Hilfen und Tipps für Arbeitnehmende

Arbeiten mit Behinderung – welche Rechte und Unterstützungen gibt es? In Deutschland sind über eine Million Menschen mit Schwerbehinderung in Arbeit. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung mehr als doppelt so hoch wie im generellen Durchschnitt (2023 waren es 11 % vs. 5,7 % bei der Allgemeinbevölkerung). Um Chancengleichheit herzustellen, gibt es spezielle Nachteilsausgleiche im Job, also gesetzliche Rechte und Vergünstigungen für Arbeitnehmer*innen mit Behinderung. Dieser Artikel erklärt, welche Rechte Ihnen zustehen (etwa zusätzlicher Urlaub, besonderer Kündigungsschutz, Anspruch auf behinderungsgerechte Ausstattung oder Teilzeit aus gesundheitlichen Gründen). Außerdem stellen wir Hilfsangebote vor, von der Arbeitsassistenz über technische Hilfsmittel bis zur psychosozialen Unterstützung am Arbeitsplatz. Abschließend geben wir einige Karriere-Tipps und beantworten unter anderem folgende Fragen:

Sollte man die eigene Behinderung beim Arbeitgeber oder schon in der Bewerbung offenlegen?
Was bedeutet Gleichstellung und wie beantragt man sie?
An welche Beratungsstellen (z. B. Integrationsfachdienst, Einheitliche Ansprechstelle) kann man sich wenden?

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Arbeitnehmer*innen mit Behinderung – Rechte und Nachteilsausgleiche im Job

Arbeitnehmer*innen mit anerkannter Schwerbehinderung (Grad der Behinderung GdB 50 oder mehr) genießen im Berufsleben besondere Rechte und Schutzvorschriften. Diese Nachteilsausgleiche sollen Nachteile ausgleichen und die Teilhabe am Arbeitsleben erleichtern. Die wichtigsten Rechte im Überblick:

  • Zusatzurlaub
    Gesetzlich stehen Schwerbehinderten 5 zusätzliche Urlaubstage pro Jahr zu (bei Vollzeit, 5-Tage-Woche). Dieser Extra-Urlaub kommt zum normalen Urlaubsanspruch hinzu und dient der Erholung. (Hinweis: Für Gleichgestellte mit GdB <50 gilt das nicht, sie haben keinen Zusatzurlaub.)
  • Besonderer Kündigungsschutz
    Nach mindestens 6 Monaten Betriebszugehörigkeit können schwerbehinderte (oder gleichgestellte) Mitarbeiter*innen nicht ohne Weiteres gekündigt werden. Der Arbeitgeber benötigt vorher die Zustimmung des Integrationsamtes. Ohne diese behördliche Zustimmung ist eine Kündigung unwirksam. Dieses Verfahren stellt sicher, dass eine Kündigung sorgfältig geprüft und nach Möglichkeit verhindert wird, sofern die Gründe im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Als schwerbehinderte*r Arbeiternehmer*in genießt man erhöhte Jobsicherheit.
  • Freistellung von Mehrarbeit
    Auf Wunsch müssen Schwerbehinderte von Überstunden bzw. Mehrarbeit (über die übliche 8-Stunden-Tagesarbeitszeit) freigestellt werden. Das heißt, Sie müssen keine Überstunden leisten, wenn Sie das nicht möchten. Dies hilft, Überlastung zu vermeiden und der Gesundheit Rechnung zu tragen. Eine Begründung für die Ablehnung von Mehrarbeit ist nicht nötig, denn das Gesetz (§ 124 SGB IX) gibt Ihnen hier ausdrücklich ein Weigerungsrecht ohne Nachteile.
  • Recht auf Teilzeit aus gesundheitlichen Gründen
    Unabhängig von den allgemeinen Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes haben schwerbehinderte (und gleichgestellte) Beschäftigte einen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit, wenn eine kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung nötig ist. Dieser Anspruch ist in § 164 SGB IX verankert und gilt ohne Mindestbeschäftigungsdauer oder Betriebsgrößen-Voraussetzung. Wichtig zu beachten ist, dass die Arbeitszeitverkürzung behinderungsbedingt erforderlich sein muss. Dann können Sie vom Arbeitgeber eine entsprechende Anpassung verlangen. Dieses Recht ermöglicht es, die Gesundheit zu schützen und dennoch im Rahmen der Möglichkeiten weiter berufstätig zu sein.
  • Behindertengerechter Arbeitsplatz & Hilfsmittel
    Arbeitgeber sind verpflichtet, einen barrierefreien, behinderungsgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Das umfasst z. B. angemessene technische Hilfsmittel oder Umbauten, damit Sie Ihre Tätigkeit ausüben können. Konkret können das beispielsweise höhenverstellbare Tische, spezielle Eingabegeräte, Rampen oder angepasste Maschinen sein. Sie haben ein Recht darauf, dass notwendige Hilfsmittel bereitgestellt oder finanziert werden. Der Arbeitsplatz muss soweit wie möglich barrierefrei und geeignet für Sie gestaltet werden. Hierbei unterstützen die Integrationsämter oft finanziell (siehe unten).
  • Weitere Nachteilsausgleiche
    Neben den oben genannten Kernrechten gibt es zusätzliche Vergünstigungen. So erhalten Schwerbehinderte einen steuerlichen Pauschbetrag (Steuerfreibetrag). Der jährliche Pauschbetrag bei GdB 50 beispielsweise beträgt derzeit 1.140 €, was die Steuerlast mindert. Auch im öffentlichen Dienst haben anerkannte Schwerbehinderte einen Vorteil. Öffentliche Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, sie zum Vorstellungsgespräch einzuladen, sofern sie die grundlegenden Anforderungen der Stelle erfüllen. Diese Einladungspflicht gilt auch für gleichgestellte Bewerber. Zudem gelten Schwerbehinderte bei Sozialplänen als schutzwürdiger (höhere Sozialpunkte bei betriebsbedingten Kündigungen). Nicht zuletzt gibt es Sonderregelungen im Rentenrecht (z. B. früherer Renteneintritt) und im Verkehrsbereich (kostenlose oder ermäßigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, spezielle Parkausweise je nach Merkzeichen etc.). Diese Punkte liegen jedoch außerhalb des direkten Arbeitsverhältnisses.

Menschen mit Schwerbehindertenausweis haben im Job erhebliche Vorteile in Bezug auf Urlaub, Kündigungsschutz, Arbeitszeit und Ausstattung, um Nachteile auszugleichen. Die folgende Tabelle stellt einige wichtige Nachteilsausgleiche vergleichend dar:

Nachteilsausgleich

Ohne SB-AusweisMit Schwerbehinderten-ausweis (GdB ≥ 50)Mit Gleichstellung (GdB 30–49)
Zusatzurlaubkein Anspruch5 Arbeitstage extra pro Jahrkein Anspruch
Kündigungsschutznormal (betrifft alle)Besonderer Schutz: Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamts (nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit)Ja, gleicher Schutz wie Schwerbehinderte
Überstunden ablehnenkein Sonderrecht

Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit >8 Std./TagJa, gilt ebenfalls (§ 124 SGB IX)
Teilzeit-Anspruch aus GesundheitNur allgemeine Regeln (TzBfG)Ja, wenn aufgrund Behinderung nötig (unabhängig von Betriebsgröße)Ja, ebenfalls Anspruch (wie Schwerbehinderte)
Arbeitsplatz-Ausstattungnur allgemeine Fürsorgepflicht des AGAnspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung und HilfsmittelJa, gleichgestellt in § 164 SGB IX (Pflicht des AG analog)
Steuerfreibetragggf. ab GdB 20 (nach GdB gestaffelt)Ja, z. B. 1.140 € bei GdB 50 (höher bei GdB >=70)Nein, nur der eigene GdB zählt (z. B. GdB 40 → 860 €)
Einladung zum Vorstellungsgespräch (öffentlicher Dienst)keine PflichtPflicht zur Einladung bei entsprechender EignungJa, Gleichgestellte sind Schwerbehinderten gleichgestellt (§ 165 SGB IX)

Legende: SB-Ausweis = Schwerbehindertenausweis; Gleichstellung = offiziell einer Schwerbehinderung gleichgestellt (siehe unten); AG = Arbeitgeber; TzBfG = Teilzeit- und Befristungsgesetz.

 

Schwerbehinderten-ausweis: Vorteile im Berufsleben

Welche Vorteile habe ich mit Schwerbehindertenausweis im Job?
Diese Frage stellen sich viele. Die Schwerbehinderteneigenschaft (GdB ≥50, nachgewiesen durch den Schwerbehindertenausweis) ist der Schlüssel zu den meisten oben genannten Rechte. Ohne gültigen Ausweis bestehen die Sonderrechte nicht. Konkret profitieren Sie mit Schwerbehindertenausweis von zusätzlichem Urlaub, Sonderkündigungsschutz, Überstundenschutz, Teilzeit-Ansprüchen und barrierefreier Arbeitsplatzgestaltung, wie oben beschrieben. Auch erhalten Sie steuerliche und soziale Vergünstigungen (Steuer-Pauschbetrag, teils Ermäßigungen bei ÖPNV, Kultur etc., abhängig von Merkzeichen). Für Arbeitgeber wiederum bringt Ihr Status auch Vorteile. Sie zählen auf die Beschäftigungsquote, denn Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden müssen 5 % Schwerbehinderte beschäftigen oder Ausgleichsabgabe zahlen. Mit Ihnen an Bord spart ein Arbeitgeber ggf. eine Ausgleichsabgabe. Zudem können Fördermittel fließen: Arbeitgeber können für die Einstellung oder den Erhalt eines schwerbehinderten Menschen einen Eingliederungszuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten, je nach Fall bis zu 70 % des Lohns für bis zu 24 Monate. Dies soll Anreize schaffen, Menschen mit Behinderung einzustellen.

Sie wollen mehr über die Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe erfahren? – Lesen Sie hier (auf anderen Artikel verlinken) mehr!

Ein Schwerbehindertenausweis kann also auch bei Bewerbungen ein Pluspunkt sein, denn öffentliche Arbeitgeber müssen Sie eher einladen und viele große Unternehmen bekennen sich bereits zu Diversity-Zielen. Hier kann daher die freiwillige Angabe im Lebenslauf durchaus positiv gesehen werden. Allerdings ist dies von Branche zu Branche unterschiedlich und hängt von Ihrer Einschätzung ab. Doch nur wer den Status offiziell hat und dem Arbeitgeber gegenüber nachweist, kann die Vorteile auch in Anspruch nehmen. Es kann daher sinnvoll sein, den Ausweis intern (z. B. bei der Personalabteilung) vorzulegen, sobald Sie unbefristet angestellt sind, um Zusatzurlaub und Kündigungsschutz zu aktivieren.

Gleichstellung
Haben Sie einen GdB zwischen 30 und 49, können Sie bei der Agentur für Arbeit eine Gleichstellung beantragen. Diese Gleichstellung bewirkt, dass Sie arbeitsrechtlich den Schwerbehinderten gleichgestellt sind. Das heißt, Sie erhalten insbesondere den besonderen Kündigungsschutz und der Arbeitgeber kann Sie auf die Pflichtquote anrechnen. Kein Anspruch besteht allerdings auf den Schwerbehindertenausweis selbst oder darauf basierende Vergünstigungen wie den Zusatzurlaub oder den steuerlichen Pauschbetrag (hier zählt weiterhin Ihr tatsächlicher GdB). Gleichstellung soll vor allem helfen, Ihren Arbeitsplatz zu bekommen oder zu sichern. Sie lohnt sich beispielsweise wenn Sie trotz Behinderung keinen GdB 50 erhalten haben, aber ohne Gleichstellung Ihren Job nicht bekommen oder behalten könnten. 

Die Gleichstellung wird formlos bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt. Sie müssen Ihren Feststellungsbescheid (GdB 30–49) vorlegen und begründen, warum Sie die Gleichstellung benötigen (z. B. drohender Arbeitsplatzverlust oder Bewerbung auf eine Stelle im öffentlichen Dienst). In der Regel wird die Agentur zustimmen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Gleichgestellt wird, wer mindestens GdB 30 hat und infolge der Behinderung ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz bekommen oder behalten kann.

 

Soll ich meine Behinderung beim Arbeitgeber offenlegen?

Viele Betroffene zögern, ihre Behinderung im Bewerbungsprozess oder am Arbeitsplatz zu offenbaren. Die Entscheidung hängt von persönlichen und sachlichen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt, dass niemand verpflichtet ist, dem (potenziellen) Arbeitgeber eine Behinderung mitzuteilen, es sei denn, die Behinderung hat einen direkten Einfluss auf die konkrete Arbeitsaufgabe, sodass man die Tätigkeit ohne Anpassung nicht ausführen kann. Fragen im Vorstellungsgespräch nach einer Behinderung sind in der Privatwirtschaft in aller Regel unzulässig (AGG – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – verbietet Diskriminierung wegen Behinderung). Wird dennoch gefragt, darf man sogar „nein“ sagen oder die Antwort verweigern, ohne rechtliche Konsequenzen. Ihr Recht auf Privatsphäre ist hier geschützt.

Warum sollten Sie es dennoch offenlegen?
Es gibt Situationen, in denen es sinnvoll oder nötig ist, die Behinderung mitzuteilen:

  • Benötigen Sie eine Anpassung oder Hilfe, um Ihre Arbeit zu verrichten (etwa technische Hilfsmittel, barrierefreier Zugang, flexible Arbeitszeit wegen Therapien etc.), müssen Sie dies natürlich ansprechen, damit entsprechende Vorkehrungen getroffen werden können. Ein Arbeitgeber kann nur unterstützen, wenn er Bescheid weiß. Viele Unternehmen sind bereit, angemessene Vorkehrungen zu treffen und sie sind dazu rechtlich auch verpflichtet (im Rahmen des Zumutbaren).
  • Im öffentlichen Dienst oder bei größeren Unternehmen mit Bewerbermanagement kann das Angeben der Schwerbehinderung von Vorteil sein, da, wie bereits erwähnt, öffentliche Arbeitgeber verpflichtet sind, schwerbehinderte Bewerber*innen zum Vorstellungsgespräch einzuladen (sofern qualifiziert). Auch einige private Unternehmen haben interne Richtlinien, schwerbehinderte Bewerber*innen bevorzugt zu berücksichtigen. Hier kann Offenheit Ihre Chancen auf ein Interview erhöhen.
  • Sobald Sie im Job sind und den Status nutzen möchten (z. B. zusätzlichen Urlaub, besonderen Kündigungsschutz), müssen Sie die Schwerbehinderung nachweisen. Viele Beschäftigte warten jedoch bewusst die Probezeit ab, bevor sie den Ausweis vorlegen, aus Angst, der Arbeitgeber könnte sonst Vorurteile haben. Dieses taktische Vorgehen ist verständlich, denn während der Probezeit möchte man nicht durch das „Label“ Schwerbehinderung negativ auffallen. Sobald der Kündigungsschutz greift (nach 6 Monaten), kann man die Schwerbehinderteneigenschaft immer noch melden. Beachten Sie allerdings, dass der besondere Kündigungsschutz erst greift, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von der Behinderung hat bzw. die offizielle Anerkennung vorliegt. Informieren Sie die Personalabteilung am besten schriftlich, verbunden mit der Bitte um Vertraulichkeit, sobald Sie sich sicher im Job fühlen.

Warum zögern viele?
Leider gibt es weiterhin Vorurteile am Arbeitsmarkt. In Umfragen geben viele Menschen mit Behinderung an, im Bewerbungsprozess Diskriminierung zu erleben. Beispielsweise fühlte sich etwa die Hälfte der befragten Frauen mit Behinderung schon aufgrund ihrer Behinderung bei Bewerbungen benachteiligt. Generell zeigen Studien, dass rund drei Viertel der behinderten Jobsuchenden Diskriminierungserfahrungen machen oder befürchten. Solche Zahlen erklären, weshalb viele ihre Behinderung lieber verschweigen,

Überlegen Sie gut, ob und wann Sie Ihre Behinderung offenbaren. Wenn Ihre Leistungsfähigkeit im Job nicht beeinträchtigt ist und Sie keine speziellen Hilfen benötigen, können Sie entscheiden, es zunächst nicht zu erwähnen. Sie haben ein Recht darauf, allein aufgrund Ihrer Qualifikation beurteilt zu werden. Konnten Sie jedoch Fähigkeiten oder Vorteile durch Ihre Behinderung erwerben (z. B. besondere Kompetenzen, Erfahrungen) oder bewerben Sie sich in einem inklusiven Umfeld, kann Offenheit sogar positiv wirken. Und spätestens, wenn Sie im Job Unterstützung brauchen oder Ihre Rechte nutzen möchten, ist ein vertrauliches Gespräch mit dem Arbeitgeber ratsam. Denken Sie daran, dass ein guter Arbeitgeber Ihre Offenheit schätzen wird und gemeinsam mit Ihnen Lösungen suchen kann.

 

Hilfen am Arbeitsplatz: Assistenz, Hilfsmittel und Unterstützung

Welche Hilfe bekomme ich am Arbeitsplatz?
Glücklicherweise gibt es in Deutschland ein dichtes Netz an Unterstützungsangeboten für Arbeitnehmer*innen mit Behinderung. Ein zentrales Stichwort ist die “Begleitende Hilfe im Arbeitsleben”, koordiniert durch die Integrations-/Inklusionsämter. Hier einige wichtige Möglichkeiten:

  • Arbeitsassistenz
    Wenn Sie aufgrund Ihrer Behinderung für bestimmte Tätigkeiten am Arbeitsplatz eine personelle Unterstützung brauchen, kann eine Arbeitsassistenz finanziert werden. Die Arbeitsassistenz ist eine individuelle Hilfskraft, die Ihnen bei solchen Handgriffen oder Aufgaben hilft, die Sie selbst nicht (vollständig) ausführen können, damit Sie Ihre eigentlichen Arbeitsaufgaben erfüllen können

Ein Beispiel

Eine Vorlesekraft für einen blinden Menschen, ein/e Gebärdensprachdolmetscher*in für Gehörlose, oder eine Assistenz, die handwerkliche Zuarbeiten für jemanden mit eingeschränkter Motorik erledigt. Wichtig ist: Die Assistenz übernimmt nicht Ihren Job, sondern hilft Ihnen nur dabei.
In der Regel übernimmt zunächst ein Rehabilitationsträger (z. B. Rentenversicherung oder Arbeitsagentur) bis zu 3 Jahre die Kosten, anschließend übernimmt das Integrationsamt dauerhaft. Die Kosten werden aus der Ausgleichsabgabe bestritten, sodass dem Arbeitgeber keine oder nur geringe Mehrkosten entstehen. Ihr Anspruch auf Arbeitsassistenz ist gesetzlich verankert (§ 185 SGB IX), sofern sie für die Berufsausübung notwendig ist. Zögern Sie also nicht, eine Arbeitsassistenz zu beantragen, falls Sie sie brauchen. Sie können die Assistenzperson selbst auswählen und anstellen, oder Dienste von Anbietern nutzen.

  • Technische Hilfsmittel
    Für nahezu jedes Handicap gibt es technische Arbeitshilfen, die den Arbeitsalltag ermöglichen oder erleichtern. Beispiele sind Rampen, Aufzüge, Spezialstühle, orthopädische Arbeitsstiefel, Lupen und Braillezeilen, Spracherkennungs-Software, angepasste Werkzeuge oder Hebehilfen. Das Integrationsamt kann die vollständige Finanzierung solcher Hilfsmittel übernehmen, inklusive der Wartung, Schulung und Anpassungskosten. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Ausstattung barrierfrei zu gestalten. Was technisch oder finanziell darüber hinausgeht, wird durch entsprechende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gefördert. Als Arbeitnehmer*in mit Behinderung sollten Sie also unbedingt prüfen, welche Hilfsmittel Ihnen das Arbeiten erleichtern könnten, und dies mit dem Arbeitgeber und dem Integrationsamt besprechen. Oft genügt ein formloser Antrag, den das Integrationsamt oder der zuständige Rehabilitationsträger schnell bewilligt, insbesondere, wenn dadurch Ihre Arbeitsleistung erhalten oder gesteigert werden kann.
  • Arbeitsplatzumbau und -anpassung
    Neben Hilfsmitteln im engeren Sinne können auch Umbauten am Arbeitsplatz finanziert werden. Etwa der Einbau von automatischen Türen, barrierefreien Toiletten, speziellen Beleuchtungen bei Sehbehinderung, Schallschutz bei Hörbehinderung, klimatischen Verbesserungen für Leute mit Atemwegsproblemen, etc. Hier arbeiten Integrationsämter oft eng mit dem Technischen Beratungsdienst zusammen. Dort arbeiten Fachleute (z. B. Ingenieure), die Ihren Arbeitsplatz begutachten und Lösungsvorschläge erarbeiten. Die Kosten tragen ebenfalls Integrations-/Inklusionsämter oder andere Kostenträger, sofern die Maßnahme zur Erhaltung oder Erlangung Ihres Arbeitsplatzes notwendig ist. Ihr Arbeitgeber kann solche Hilfen in Anspruch nehmen, sodass niemand allein vor der technischen Herausforderung steht.
  • Psychosoziale Unterstützung
    Behinderung im Job bedeutet nicht nur physische Barrieren, oft gibt es auch mentale oder soziale Hürden. Integrationsämter bieten hier präventive und begleitende Hilfen. Beispielsweise kann bei Konflikten oder Schwierigkeiten am Arbeitsplatz ein Integrationsfachdienst moderieren oder beraten. Für Beschäftigte mit psychischen Behinderungen gibt es spezielle Programme wie Job-Coaching, Begleitende Beratung oder den Einsatz von Inklusionsbeauftragten im Betrieb. Auch das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein wichtiges Instrument. Wenn Sie länger krank waren (über 6 Wochen im Jahr), muss der Arbeitgeber mit Ihnen ein BEM-Verfahren durchlaufen, um zu schauen, wie künftige Ausfälle vermieden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Hier können Betriebsarzt, Integrationsteam und ggf. externe Berater eingebunden werden. Nehmen Sie solche Angebote an, denn sie dienen Ihrem Schutz und sollen Lösungen finden, bevor es zum Äußersten kommt. Scheuen Sie sich nicht, bei psychischen Belastungen beispielsweise den Sozialdienst des Integrationsamts oder Beratungsstellen zu kontaktieren. Es gibt auch die EUTB (Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung), die kostenlos und neutral zu allen Fragen rund um Behinderung und Probleme im Arbeitsleben berät.

Sie sind nicht auf sich allein gestellt. Viele Hilfen im Arbeitsleben können beantragt werden, sei es technische, personelle oder psychosoziale Unterstützung. Das Integrationsamt hat den gesetzlichen Auftrag, Ihre Beschäftigung durch geeignete Leistungen zu sichern. Wichtig ist, frühzeitig Bedarf zu signalisieren. Oft lassen sich mit kleinen Anpassungen große Wirkung erzielen.

Beratung und Unterstützung: Integrationsfach-dienst und Ansprechstellen

Neben finanziellen und sachlichen Hilfen gibt es auch persönliche Beratung für Arbeitnehmer*innen mit Behinderung sowie für Arbeitgeber. Hier zwei besonders wichtige Anlaufstellen:

  • Integrationsfachdienst (IFD)
    Diese Dienste gibt es in jeder Region. Der IFD berät, begleitet und unterstützt Menschen mit Schwerbehinderung im Arbeitsleben individuell und kostenlos. Er hilft beispielsweise Schwerbehinderten bei der Jobsuche (Vermittlung auf geeignete Arbeitsplätze) und bei der Einarbeitung. IFD-Mitarbeiter können Ihre Fähigkeiten einschätzen, ein Profil erstellen und Ihnen helfen, Hindernisse beim Arbeitsstart zu überwinden. Ebenso berät der IFD Arbeitgeber und Kolleg*innen, wie ein Arbeitsplatz behinderungsgerecht gestaltet werden kann oder welche Fördermöglichkeiten es gibt. Sind Sie bereits im Job, kann der IFD bei Konflikten oder Leistungseinbrüchen moderieren, Kolleg*innen informieren und auf Präventionsmaßnahmen hinwirken. Der Integrationsfachdienst ist ein Lotse und Kümmerer, der sowohl Ihnen als auch dem Arbeitgeber zur Seite steht, um das Arbeitsverhältnis stabil und erfolgreich zu gestalten. Die Inanspruchnahme ist freiwillig und vertraulich. Oft vermittelt das Integrationsamt oder die Arbeitsagentur an den IFD, oder Sie können sich direkt an den nächstgelegenen IFD wenden (über die BIH-Webseite).
  • Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA)
    Seit 2022 gibt es bundesweit die EAAs, die sich speziell an Arbeitgeber richten. Ihr Ziel ist es, Arbeitgeber bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit (Schwer-)Behinderung zu beraten und zu begleiten. Oft wissen besonders kleine und mittlere Unternehmen gar nicht, welche Unterstützungen es gibt und haben Berührungsängste. Die EAA fungiert hier als „Lotse“. Sie beantwortet alle Fragen rund um Fördermittel, bauliche Maßnahmen, rechtliche Pflichten und vermittelt den Betrieb an die zuständigen Leistungsträger. Wenn ein Arbeitgeber unsicher ist, wie er einen Arbeitsplatz anpassen soll, kann er die EAA kostenlos kontaktieren. Dort kennt man die vielfältige „Förderlandschaft“ genau und gibt praktische Hilfe bei der Antragstellung. Sie als Arbeitnehmer*in können Ihrem (potenziellen) Arbeitgeber ruhig den Tipp geben, sich bei Fragen an die EAA zu wenden. Die Existenz der EAA zeigt, dass Inklusion im Arbeitsmarkt erleichtert werden soll, indem man Unternehmen an die Hand nimmt, statt sie allein zu lassen.

Neben IFD und EAA gibt es weitere Akteure wie Schwerbehindertenvertretungen (SBV). In größeren Betrieben vertreten diese die Interessen schwerbehinderter Mitarbeiter intern. Falls Ihr Betrieb mindestens 5 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, gibt es eine SBV, an die Sie sich wenden können. Auch die Agentur für Arbeit selbst hat Reha-Berater*innen, die Ihnen bei Jobthemen helfen. Sozialverbände wie der VdK oder Sozialverband Deutschland (SoVD) bieten Rechtsberatung an, wenn Sie Probleme mit der Durchsetzung Ihrer Rechte haben. Und wie erwähnt, die EUTB (Teilhaberatung) ist ein weiteres kostenloses Beratungsangebot für alle Lebensbereiche.

Fazit

Mit einer Behinderung Karriere zu machen ist zweifellos eine Herausforderung, aber es ist absolut machbar und Sie haben Ansprüche auf Unterstützung. Kennen Sie Ihre Rechte und nutzen Sie die Hilfsangebote. Ob Nachteilsausgleiche wie Zusatzurlaub und Kündigungsschutz, praktische Hilfen wie Arbeitsassistenz und Hilfsmittel, oder Beratung durch IFD & Co. All das soll dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am Arbeitsleben teilhaben können. Scheuen Sie sich nicht, diese Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, denn sie stehen Ihnen zu und viele Maßnahmen kosten Ihren Arbeitgeber nichts.

Ein motivierender Gedanke
Immer mehr Unternehmen erkennen den Wert von Vielfalt. Studien zeigen zwar Rückschritte in manchen Bereichen der Inklusion (z. B. erfüllten 2023 nur 39 % der verpflichteten Unternehmen die 5 %-Beschäftigungsquote vollständig), doch es gibt auch viele positive Beispiele. Inklusion am Arbeitsplatz kann gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Trauen Sie sich also ruhig etwas zu und nutzen Sie die gebotenen Karrierechancen mit Behinderung. Mit dem richtigen Wissen über Ihre Rechte und Hilfen sind Sie inklusionsfit!

Quellen: Gesetze: SGB IX, AGG; Integrationsämter & BIH; Fachportale und Verbände (REHADAT, VdK); Aktion Mensch Inklusionsbarometer 2024; Umfragen (Aktion Mensch, myAbility).